Hören. Lesen. Schreiben 15. Ein Fünfminutengedicht schreiben,

einfach aus dem Ärmel schütteln, der ungebremsten, spontanen Eingebung nachgeben, ohne Willkür in Form und Vers und Pooääsiie:
Geht doch?

Geht gar nicht.

Nach Tagen der Mühe: Einen GedichtKeim kann man behandeln wie Germteig: Kneten. Rasten lassen. Nochmal kneten. Paar feine Zutaten hinein. Kosten. Unzufrieden nach Optimierung suchen…Pause. Weitermachen.
Fertig. Vielleicht.

Aber ich schreib das Ergebnis nicht in den Blog.
Warum nicht?
Zu privat.
Ich meine, Leute aus meinem Umfeld lesen das womöglich und entdecken private, intime Gedanken darin.

Würde ich diesem Umfeld ein paar Zeilen Prosa rüberreichen? – „Das hier. Ist von mir. Willst mal lesen?“
Ja. Kein Problem.

Warum ist mein Vertrauen in willkommene, kritische Reaktionen bei einem Gedicht ganz unmöglich?

Weil es die unsichtbare Überüberschrift Kunst im Titel trägt?

Aber, wollten fremde Personen meine Gedichte lesen,
wäre es mir ganz recht. Sollen die sich denken was sie wollen, über meine so privaten Zeilen.

Berlin, 1997:  Ich hab ein paar Gedichte geschrieben und wollte sie „im Bauchladen“ verkaufen. Am Wittenbergplatz, an einem Samstagvormittag im Frühherbst.
10 Pfennige /Stück.
„Mehr“, rieten mir Freunde, „wenn du deinen Oevres keinen Wert beimisst, wie sollen es die Passanten tun? Zehn Pfennige! Die kaufen das, damit du Ruh gibst, überfliegen drei Worte und schmeißen es in den nächsten Hauseingang.
Ich blieb dabei: 10 Pfennige.
Zwei Termine hatte ich mir ausgesucht, und passende Kleidung, und das Anmachen, das ZuRufen, das Heraustreten aus mir, und die wunderbaren Gedichte waren in klarer Schrift ausgedruckt und auf bunten Karton geklebt.
Und dann der Regen. Samstag Regen.
Schöne Woche. Vielviel Sonne.
Am 2. Samstag nochmal Regen.
Und dann hab ich diese Idee begraben und für lange Zeit vergessen.

Schauplatzwechsel, Gedichte für Kinder, vorgelesen vor vielen, vielen Jahren:
Wohnhöhle, gute Stimmung, leere Tassen Tee auf dem Tisch, draußen Dämmerung. Ein Kind und ich, dazwischen ein Buch: „Wenn der Wind ums Gatter geht, hört man’s leise knarren…“  *)
Kind versinkt zwischen Worten und Illustration. Ruhe.

Einige Jahre später, Sofalandschaft, gute Stimmung, zwei Tassen Tee auf dem Tisch. Guten Nachmittag mit wilden Spielen verbracht. Ausgeruht. Und dann, ein Kind und ich, dazwischen ein Buch: „Der Schlafwind wiegt die Vogelnester…“  *)
Kind: „Hör auf, hör auf, ich will das nicht!“

Hmm. Selber schuld. Ich hab das völlig falsch inszeniert.
Oder: Es liegt an den Genen. Oder an der Umwelt.
-> Jedes Wesen ist einzigartig. Eh oke. Passt.

*) Christine Busta: „Die Sternenmühle“