Lesen. Hören. Schreiben. 27 Leben ist Schreiben, oder

Oder nicht.
Wer hat das behauptet?
Es stimmt nicht.
Wenn ich aus dem Schlaf auftauche in ein lebendigeres Leben, ist Schreiben ganz unmöglich. Nichts funktioniert. Grammatik? – Pöh! Stil? – Nur als Stilbruch.
Worte, unzusammenhängend, tröpfeln aus dem Pflichtprogramm in ein unbedeutendes Gehirnareal: Aufstehn. Tiere. Stall. Weide. Futter. Ausmisten. Vogelhaus füllen. Wetter gut? Böse?
Gut machen finde ich wirklich gut. Muss ich mir merken, bis es ans Arbeiten geht. Wenn ich’s nicht vergesse.
Brennholz reintragen viel wichtiger. Brennt unbrauchbare Manuskriptseite besser als ein Bündel alte Einstreu?
Vor dem Mittagsschlaf ein Akt der Disziplin. Einen klugen Gedanken denken und ihn dem aktuellen Thema einverleiben. Er versteckt sich. Suchen anstrengend. Später, vielleicht.
Auf den Schlaf folgt Wachen, folgt Kaffee, viel Kaffee. Mit Mehlspeis. Darauf folgt ein flattriges Nichtkonzentrierenkönnen. Fort vom Schreibtisch! An die Luft! Strauchschnitt zerkleinern. Daraus wird nützlicher, krümeliger Kompost. Gären und stinken soll er, und im Frühling für Gedeihen sorgen. Und ausgerechnet hier, in ziemlicher Gedankenleere fliegt mir ein Wort durch den Sinn, das eine Assoziation erweckt, die die Lösung des Problems bedeutet, einen organischen Übergang zwischen zwei Episoden zu finden. Das Wort muss ich festhalten. Mit einer Eselsbrücke. Diese Brücke immer wieder wiederholen, vor mich hinsprechen, visualisieren. (Und wo ist die Gartenschere? Eben war sie noch da…) Esel sind so sympathische Tiere. Ich sollte im aktuellen Text Franks Kater, ich meine den Kater, den Frank, eine Nebenfigur, als Kind besaß, weiterentwickeln –
zurück zur Weide: Alle Tiere da?
Am Abend eine Tasse Tee. Nochmal ins Freie. Alle Sterne da?
Mensch ist so klein. Und glaubt, etwas erfinden zu können, das bleibt. Wenn Papier vergänglich ist, könnte es doch sein, dass die Mitteilungen darauf sich verselbständigen und bleiben? Irgendwo im Raum? So wie die Musik, wie Erfindergeist jeder Facon?
Schreiben ist Leben (Nicht umgekehrt);
ist : Am Leben Teil Nehmen, Teil Schenken.

Lesen. Hören. Schreiben. 26 Rilke lesen

und verstummen. Auch rundherum muss alles still sein. Stimmen, die beim Lesen laut werden, brauchen unscheinbaren Hintergrund, um leuchten zu können.
Rilke lesen und sich den Herrn Dichter vorstellen, wie er am Pult mit Feder-
wie er im Garten edler Leute seine Vita mit ihrem Reichtum anruft und vorbeiflanieren lässt-
aber vielleicht, ganz sicher war es anders. Unbedarfte Projektionen, fort mit euch!
Rilke lesen, mir vorlesen, den Worten nachhören. Landschaft wächst ins Zimmer. Menschen mit klaren Gesichtszügen steigen aus dem Fußboden und führen sich auf, ohne unhöflich zu sein, als gehörten sie schon lange zu mir.
Rilke lesen und verstehen, langsam, langsam. Vorher Tee, dann vielleicht klug. Und auf der richtigen Spur, die niemand gezeichnet, kein Mensch benannt, kein Sehender gesehen hat.
Rilke lesen. Und dann schwöre ich alle heiligen Eide, dass ich nie, nie, niemals hier im Blog ein Gedicht von mir nur so dahinkritzeln werde.

Hören. Lesen. Schreiben 25. So nicht!

So kann es nicht weitergehen. Der Text liegt da so herum wie ein Haufen Elend. Begonnen vor fast vier Jahren, mit glühendem Eifer zum Wachsen verleitet, zum Hervorbringen neuer Äste, zurechtgestutzt, glattgebügelt, aufgelockert.
Immer wieder hab ich ihm Ruhe vergönnt – auch im Schlaf ist das Gehirn rege – ihn wiederbelebt, befruchtet mit Exkursen, Volten und einer entsetzlich wirren neuen Person. Hinterlistige Stolpersteine und locker-Atmosphärisches wurden ins Spiel gebracht, das vor allem Ernst sein soll.
Und? Jetzt? Text will nicht mehr. Stagniert. Stellt sich tot. Weiß viel besser als ich, dass an diesem vorläufigen Endpunkt etwas ganz anderes Einlass finden muss. Ein neuer Tonfall. Erzeugt von neuen Instrumenten. Neue Form für ein noch neueres Gefäß, in dem es gefälligst gären soll.

Warten ganz doof.
Der Blitz soll einschlagen!
Schicksal, herbei!
Mühsal, Labsal auch.
Mehr Disziplin.
Noch viel mehr Kaffee.
Dann schaumamal.

Hören. Lesen. Schreiben 23 RADIOmultiHÖRENmedia

Radio ist großartig. Mensch hört zu, kann nebenbei was tun, vielleicht sogar Notizen zum Gehörten hinkritzeln, ohne wie beim Fernsehen spannende Szenen zu versäumen.
Radio war immer schon Groß. Einer meiner Onkel hatte ein wenig Physik studiert und bald auf Bastler und Eigenbrötler umgesattelt. Er begleitete das Radio von dessen Kinderschuhen an bis zur frühen Reife. Bei ihm daheim, wo auch Eltern und Geschwister wohnten, sollten sich Drähte quer durch die Räume gespannt haben, und irgendwo in einem Kämmerchen knisterte es. Ein Apparat auf dem Fensterbrett gab Geräusche, manchmal auch Klänge von sich…
Jahre später war es die Gewohnheit meiner Mutter, dicht neben dem Radio zu sitzen, zu nähen, zu stricken und mich vergebens ins Bett zu schicken.
Inzwischen bin ich es, die Radio hört und nebenbei Löcher in edlen, englischen Socken stopft.
Hat sich in all den Jahren nichts verändert?
Fernsehen wurde erfunden, hallo!
Hab’s ausprobiert und als nicht für mich geeignet befunden. Alles zu schnell, zu bunt und flüchtig.
Auch Internet trat in mein Leben, auch großartig. Natürlich ganz anders als Radio:

Ich höre eine der Opernsendungen (Lieblingsmoderator M. B. Seine Begeisterung vibriert in jedem Wort. Sänger, Dirigenten aus Gegenwart und Vergangenheit werden weihevoll durch den Äther getragen.): Arien zum Niederknien. – Intro für einen neuen Dirigenten. – Hommage an begnadete Stimme aus der Vergangenheit:
Ich ins www, Fotos suchen, Bio nachlesen. Gibt es neue, alte CDs, Vinyls dieser Person, von jener Première?

Vor drei oder vier Jahren…Radio spielt nebenbei, doch ich denk mir diese Musik macht glücklich. Und  hör genauer hin: Mozart. Ich ins www, „M.“ und „glücklich“ googeln. Fundstück: Hans-Josef Ortheil Das Glück der Musik; Vom Vergnügen, Mozart zu hören (luchterhand)

Hörspiel sowieso, kann man auch nachhören am PC, danke. Und noch mehr Literatur, manchmal zum Glück unbekannt: Roadmovie in feinster, gut 60 Jahre alter Prosa? Mehr davon. Forschen im www, auf amzon, aber dann doch in der Buchhandlung meines Vertrauens kaufen.

Radio to-tal wunderbar. Wenn nicht grad diskutiert wird, ergebnosUNoffen, mit pubertierenden Stimmchen als Informanten, altklug und jung festgefahren.
Tut das weg. Bitte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hören. Lesen. Schreiben 22. Buch. Buch! Buch?

„B ü c h e r  s i n d  g u t e  F r e u n d e.“ –
Nein!
Freunde liegen nicht neben der Kaffeetasse herum.
Freunde trägt man nach Benützung nicht in die Tausch-Box, und man stellt sie nicht ins Regal.
„B ü c h e r  b e g l e i t e n  d i c h  d u r c h s  L e b e n.“
Durch sehr, sehr überschaubare Lebensabschnitte.
Begleiten: Nur als Zerstreuung beim Bahnfahren. Sonst verharren sie in eher statischem Zustand, wartend auf Beachtung.
„B ü c h e r  t r a g e n  z u r  B i l d u n g  b e i“, die man schnell wieder vergisst.

Sehr geschätzte Bücher öffnen für mich ihre Seiten mit der Einladung, die Wesen kennenzulernen, die hier wohnen.
Wirkung: Erleben durch MitErleben. Empathie. Rollenspiele. Denken, denken: Was geschah davor? Was wird sein? Film im Kopf, der sich weiterdreht, bevor er, überblendet vom immer ganz nützlichen Aktionismus, nur noch kurze Zeit im Leerlauf surrt und endlich eine Ruh gibt.

Sehr geliebte Bücher aus meiner Vergangenheit dufteten nach Kinderbibliothek, hatten zerfledderte Buchdeckel und oft ein Tier aufm Cover. Assoziationen aus der Zeit danach: Sofa. Äpfel. Spannung. Unsichtbarwerden vor der drohenden Mithilfe im Haushalt.

Wunschbücher für die Zukunft:
Unerwartete Begegnungen – Überraschungsmomente – Gefangenwerden durch geglücktes Design. – Zeit zum Blättern – Zwei, drei Sätze lesen: noch eine Begegnung. Da sind auf einmal Menschen, mit denen zusammenzutreffen man nicht mal gewagt hätte, das zu erhoffen – Sprache: neu im alten System – Hände: halten das Buch fest. Loslassen nur, um weiterzublättern. Und den Schatz einzusacken.
Zwecklos: Kaffee und Kuchen dazu.
Buch allein = Genuss + Herausforderung.