Lesen. Hören. Schreiben. 47 Der erste Satz
ist ein flüchtiges Ding. Kaum getippt, schon wieder weg,
ersetzt durch den zweiten, dritten, vierten ersten Satz.
Der erste Satz soll verlocken, soll versprechen, was später eingelöst wird. Er muss mit dünnen Buchstaben eine lebendige Landschaft malen oder die Skizze einer interessanten Person, am besten alles zusammen, dazu viele Fragezeichen am Horizont.
Eine unlösbare Aufgabe.
Arm ist er, der erste Satz: wird rausgekickt, noch bevor er sich’s bequem gemacht hat.
Nicht zu hübsch darf er aussehen. Cool viel besser.
Und bloß nicht so tun, als hätte er’s mit der Poesie.
Das Gegenteil kommt vielleicht wahrscheinlich viel besser an: Eine (haarsträubende) Situation, die über Leben oder Tod entscheidet, aber genau das ist im ganzen Text nicht drin oder doch, aber bitte nicht so schnell, weil, gut Ding braucht Meilen, auch wenn der mögliche Tod ein schlechtes Ding ist.
Zurück an den Start.
Muss mal die Person mit der tragenden Rolle fragen, wie sie sich den Anfang vorstellt:
„Hm. Rätselhaft. Mit einem gewissen Charme, der einer verborgenen Schönheit eigen ist, die sich nach und nach entfalten wird.“
Omg. Das geht gar nicht, das sprengt den Großen Plan.
Zu viel Mitsprache ist auch gar nicht gut. Bringt nur Streitereien.
Besser, ich mach hier Schluss, öffne die Datei mit dem unvollendeten Beginn und schreib den ersten Satz total spontan und mit dem Anspruch auf vorläufige Ewigkeit.