Was Positives. Die Notiz. Der Wald.

Zuerst Ordnung schaffen oder nicht oder zuerst Tee oder die Pfänzchen auf dem Fensterbrett gießen oder doch im Zustand zwischen Nacht und Tag dahindämmern? – Nein, Nachrichten checken: Der Gnadenhof meiner Sympathie hat zwei ausgediente, alte Milchkühe vorm Schlachthof gerettet.
Das ist gut. Eine zielgerichtete Handlung. Keine Zweifel. Maximal positives Ergebnis.
Und dann der Anruf von Lela: „Heute Abend mal groß ausgehen? Ich muss dir was erzählen.
Erzähl’s mir gleich“, sage ich zweifellos-positiv. – „Nein. Heute.“
Heute geht nicht. Am Nachmittag hüte ich Belinda und Coldie. Das teile ich der Lela mit. Und sie sagt, dass auf den anstrengenden Nachmittag ein freier Abend folgen soll.
Und ich: „Nach dem Hüten lasse ich’s ausklingen. Das Lachen, das Streiten und Kichern. Es lässt mir keine Zeit, vor der Verabredung mit dir zu mir zu kommen, das Vorklingen auszukosten, und, sozial fit, noch dazu frisch gekämmt, nein, das geht nicht, das passt nicht.“
Lela versteht. Sie sagt, dass sie ein bisschen traurig ist. Ich sage nicht, dass ich sehr traurig bin. Und sehe, wie sie vielleicht ihre dunklen, melierten Strähnchen durch die Finger gleiten lässt.
„Morgen. Wir telefonieren uns zusammen.“ Auseinander, verstehe ich.

Auf dem Weg zu Coldie und Belinda biege ich zerstreut? falsch ab. Links ein Bach, rechts die Rückseiten der kaum noch gepflegten Siedlungshäuser. Hinter dem Müllplatz schleppt eine alte Frau in Kleiderschürze ihren Kübel mit sich. Ein Hund möchte ausbrechen. Ich bin schuld an seiner Gefangenschaft oder was. Irrtum, Hund. Lass dir was einfallen. Wer kommt mir entgegen, ich bin nicht neugierig. Er aber schaut mich listig an, tut zwei Schritte näher, sein Atem riecht nach einem Getränk, dessen Farbe und Aroma ich nicht kennenlernen möchte. Der Mann bleibt stehen. Meint nicht mich, oder. Weil, ich weiter – Er hält mir einen Zettel hin: Hier nicht steht drauf. Der Rest unleserlich.
Das Unerfreuliche, Abweisende in dieser Gasse setzt mir immer noch zu, als ich längst durch die Allee von Linden weitergeh. Alles kahl. Immerhin, keine hält mir betrunkene Notizen unter die Nase.

Bleibt am Waldrand.
Die Mama hat es gesagt, dabei Coldie übers Haar gestreichelt. Belinda hat die Augen verdreht.
Am Waldrand. Wo leben wir. Es steckt uns doch in den Genen, alles zu erforschen, was tief und dunkel ist: Den Wald und sein Herz, seine Lunge, sein Gerippe. Und die Höhlen der Erde. Den Sternenhimmel. Und die schwarzen Flecken auf deiner meiner Landkarte.
Der Spielplatz ist schnell fertigespielt. Und? Nun?
„Wollt ihr Rindenschiffchen basteln?“ – „Warum?“ – „So halt.“
Coldie geht, Stöckchen suchen, um damit die Luft zu bekämpfen.
Ich muss mir was einfallen lassen.
Mir fällt nichts ein.
Inzwischen hat Belinda eine Fliege befreit, die in einem Jausensäcken gefangen war, das so ein Lümmel weggeworfen hat. Mit Leberwurstresten drin.
Retten ist gut. Ich lese Föhrenzapfen auf, und Hölzchen und einen von der Natur kunstvoll geformten Zweig.
„Da, die arme Hirschkuh kann nicht mehr gehen“, sage ich.
Belinda versteht sofort. Sie ernennt Coldie zu ihrem Assistenten, und nun wird alles gerettet und geheilt, was mit einem Fuzzel Fantasie Kopf, Bauch, Beine und Schwänzchen hat.
Ich muss nur zuschauen und mich an ihrem Ernst erfreuen. Manchmal darf ich medizinische Fachausdrücke einwerfen. Dann doch lieber schweigen und mit Gestrüpp und Baumstumpf verschmelzen. So fällt mir auf, wie überlegt, konzentriert und selbstbewusst die Kinder vorgehen. Retten bewirkt Reife?!
Es macht nicht die Opfer arm und klein, sondern die Akteure groß und reich.
„Frau Dooookktaa“, zerbrüllt Coldie meine Gedanken, „Zicklein hat Blinddarm!“
Zicklein. Klingt so niedlich. Obwohl schon junge Zicken versteckte, kleine Hörner haben. Und einen Willen, der Stahl durchdringt.
Zicklein zeigt mir den Weg. ‚
Es gibt viel zu tun in den nächsten Wochen.