Lesen. Hören. Schreiben. 29 Nach der Oper,

nach dem Applaus, dem Staunen, der Bewunderung allen gegenüber, die gleichzeitig glaubwürdig darstellen und singen können, und auch noch kämpfen, lieben, Intrigen spinnen, küssen und sterben können, während sie richtig singen –
wenn all das verebbt, hängen vorm Opernhaus die Ohrwürmer in der Luft – nein, sie hängen nicht, sie kriechen nicht, sie fliegen mit, setzen sich sanft in den Köpfen fest und bescheren noch stundenlang Freude und Nachhall. (Und ev. situationsunangepasstes Mitsummen in der U-Bahn)

Ich möchte so gern ein Libretto schreiben.
Große Szenen, großes Drama – Erregen von Mitleid und Furcht – Zeilen und Verse mit Emotion für die Arien – Einklang oder Missklang für Duette – Ensembleszenen mit Charakter für jeden Mitstreiter – Texte für Chor-als Mitspieler und Chor-als Kommentator .
Thema des Oevres? – Liebe. Und Tod. Und alles, was sich dazwischen abspielt mit gewaltigem Ernst. Und ein Finale, das einem Tränen in die Augen treibt aus Ergriffenheit durch Katharsis.

Das alles wäre nur ein Teil der Arbeit.
Wer übernimmt die Komposition?
Wo ist die Person, die die einzig richtige passende Tonsprache findet? Töne und Tunes, die beim Publikum reinfahren, dass es groovt und swingt oder triste über kahle Bühnenhügel weht, wer erfindet sie, wer verschenkt am Ende ein paar Ohrwürmer, die sich jeder mit nach Hause nehmen darf?

Das geht heute nicht mehr?
Man kann doch nicht-,
man darf nicht so wie früher-?
Kunst muss weh tun. Vor allem den Ohren.
Wer behauptet das?
Wer spielt mit, und warum?

Ich möchte so gern ein Musicallibretto schreiben…